Zentrum

Finde deine Mitte!

Bei den Grundprinzipien der Eröffnung haben wir schon das Zentrum im Schach kennengelernt.

Zentrum.

Kurz wiederholt: Das innere Zentrum sind die Felder d4, e4, d5 und e5. Das erweiterte Zentrum sind die Felder, die das innere Zentrum einschließen. Im Diagramm oben mit schwarzen und weißen Bauern markiert. Im Prinzip also die Brettmitte. Beim Schach setzt sich zumeist derjenige durch, der in der Lage ist, das Zentrum zu beherrschen. Man muss das Zentrum dabei aber nicht unbedingt mit so vielen Figuren wie möglich besetzen und alle Figuren dort reinstellen, es genügt, wenn man die Felder mit seinen Figuren überdeckt/bedroht. Dies ist eine Erkenntnis, die insbesondere durch Aaron Nimzowitsch, den lettischen Schachmeister und -theoretiker, populär wurde. Nach ihm sind eine Reihe Eröffnungen und Varianten benannt, dessen Prinzip darin besteht die Mitte nicht mit Bauern zu besetzen, sondern von der Seite mit Figuren zu beherrschen, z.B. mit fianchettierten Läufern.

Uns interessiert hier aber nicht mehr so sehr die Eröffnungstheorie, wir wollen ins Mittelspiel und hier müssen wir uns zuerst merken, dass die Figuren aus der Brettmitte heraus die größte Wirkung erzielen können. Vor allem Springer sollten ins Zentrum gebracht werden, aber auch Läufer oder die Dame. Und als zweites ist es wichtig, dass wir uns anschauen welche Strukturen sich im Zentrum ergeben können und wie man dann seine weitere Strategie anlegen sollte. Grob kann man sagen, dass zwei Zentrumsarten auftreten können: Bewegliche und festgefahrene. Oder offene und geschlossene, oder aktive und passive, oder dynamische und statische, wie man es auch immer bezeichnen möchte.

Schauen wir uns am besten ein paar typische Beispiele an, zuerst für geschlossene Zentren:

Zentrum.

Im obigen Beispiel haben sich ganze Bauernketten ineinander verhakt und das Zentrum lahm gelegt. Wie kann man jetzt weiter vorgehen? Man könnte Schwachpunkte suchen in der Zentrumsverteidigung des Gegners und mehrere Figuren darauf ausrichten. Schwachpunkte müssen nicht nur Figuren des Gegners sein, die nicht ausreichend gedeckt sind, sondern es könnten auch unbedrohte Felder hinter der Verteidigungslinie sein, auf die man einen Springer oder Läufer entwickeln könnte. Bei diesen zusammenhängenden Bauernketten ist dies ohne Materialverlust aber kaum zu bewerkstelligen. Was kann dann die Alternative sein? Wenn das Zentrum dermaßen blockiert ist, sollte man immer einen Bauernsturm/-vormarsch am Flügel versuchen. Hierzu sucht man sich die Seite aus, auf die man am meisten Figuren zur Unterstützung ziehen kann oder auf der dem Gegner weniger Figuren zur Verteidigung bereitstehen. Diesen Bauernsturm muss man dann aber auch mit Überzeugung und Tempo durchführen, denn der Verteidiger wird dasselbe am anderen Flügel versuchen. Passivität hilft hier nichts, weil man durch das blockierte Zentrum hindurch nur schlecht Figuren von einer Seite auf die andere umgruppieren kann.

Ein weiteres Beispiel, bei dem das Zentrum zwar auch blockiert ist, weil sich Bauern festgefahren haben, diesmal aber nicht so stark wie bei den Bauernketten:

Zentrum.

Hier wäre der obige Bauernsturm am Flügel ziemlich riskant, weil man die Kontrolle im Zentrum durchaus rasch verlieren kann und einem dann alles auseinander fällt. Bei dieser Struktur sollte man sich wirklich völlig auf das Zentrum fokussieren und erst, wenn da gar nichts mehr geht, wieder Flügelangriffe in Erwägung ziehen. Ihr habt dafür auch ausreichend Zeit, gruppiert ruhig Springer oder Läufer um, der Gegner kann aktuell ja auch nicht wirklich durchbrechen.

Jetzt aber zu den kniffligeren Zentrumsstrukturen, den dynamischen, beweglichen:

Zentrum.

Obiges Zentrum ist irgendwie noch nicht festgelegt, es ist noch im Werden. Schließt es sich eventuell gleich oder öffnet sich komplett? Man sollte auf jeden Fall die Spannung im Zentrum aufrecht erhalten, greift der Gegner dann an einem Flügel an, kann man die Entscheidung in der Mitte suchen. Umgekehrt als Angreifer nicht zu wild am Flügel vorpreschen, wenn man das Zentrum nicht halten kann.

Zentrum.

Hier sieht es schon ein wenig anders aus. Zwar sind einige Bauern im Zentrum, sie sind aber nicht festgelegt und können sich noch bewegen. Man kann sie nutzen um den Gegener so stark einzuengen wie möglich, dass er sich gar nicht mehr richtig bewegen kann um dann über einen der Flügel entscheidend durchzubrechen.

Zentrum.

Ein letztes Beispiel, hier ist das Zentrum komplett offen, von Bauern befreit. Können da Bauernangriffe über den Flügel zum Erfolg führen? Wohl eher nicht, die Figuren können sich viel zu frei bewegen und rasch von einer Seite auf die andere umgruppiert werden. Hier kommt es einzig auf das Figurenspiel an, dass man seine Läufer und Springer schnell in aktive Positionen bringt, auch die Türme nicht vergisst zu entwickeln. Einmal im Entwicklungsrückstand hat man es schwer und wird in die Defensive gedrängt. Kann man vielleicht aktive Figuren des Gegners noch irgendwie abtauschen oder das Zentrum mit seinen Figuren geschlossen halten?

Fazit: Aus der Mitte kommt die Kraft, von hier entfalten eure Figuren ihre größte Stärke. Auf der Kontrolle des Zentrums sollte von der Eröffnung bis zum Endspiel euer Hauptaugenmerk liegen. Verschiedene Zentrumsstrukturen erfordern aber auch unterschiedliche Vorgehensweisen. Lasst euch also von eurem eigenen Angriff nicht mitreißen oder vom Angriff des Gegeners einschüchtern. Immer das gesamte Brett im Auge behalten!