Zugzwang

Ich passe!

... das gibt es nicht im Schach. Kommt aber häufiger vor, dass man am Liebsten gar nicht ziehen wollte, weil jeder Zug irgendwie die Stellung verschlechtern würde. Warum kann man dann nicht einfach den Gegner noch einmal ziehen lassen? Soll er doch, ich will ja gar nicht!

Ja, das wäre aber gegen die Spielregeln. Beim Schach wird abwechselnd gezogen, es herscht Zugpflicht, man muss also ran, egal was kommt. Und das ist ein ganz zentrales und reizvolles Element im Schach. Kann man in den meisten Strategiespielen noch irgendwie einen Zug finden, der zumindest die Spielsituation nicht verschlimmert, so ist das im Schach oft ganz anders. Und das nennt man dann "Zugzwang". Das wird häufig als taktisches Mittel verwendet, indem man den Gegner mit einem Abwartezug in Zugzwang bringt, so dass plötzlich jeder Zug negativ für ihn wäre. Wenn man selber also keinen Zug hat, der direkt den Gewinn herbeiführt, so kann man eventuell den Gegner in Zugzwang bringen, so dass er selber seinen Verlust herbeiführt. If you can not win the game make your opponent lose it. Spannend, oder?

Schauen wir uns ein paar Beispiele an, damit das Prinzip klarer wird. Vor allem in den elementaren Mattführungen oder in Endspielen, in denen es um die Umwandlung von Bauern geht, erkennt man das Motiv sehr gut:

Zugzwang.

Wie setzt Weiß am Zug hier den Schwarzen schachmatt? Nun, er muss zuerst einen Abwartezug ausführen, so dass Schwarz selber ins Verderben läuft und in die Opposition zieht. Dann setzt man ihn matt: 1. Td2 Kf8 2. Td8#

 

Zugzwang.

Diese Stellung hat sich der französische Vordenker des modernen Schachs Philidor Ende des 18.ten Jahrhunderts ausgedacht. Solche Endspiele Dame gegen Turm sind gar nicht so einfach zu gewinnen, wenn Turm und König es schaffen zusammenzubleiben und dadurch Doppelangriffe oder Spieße unmöglich machen. Wie bekommt man sie denn nun aber trotzdem in obiger Stellung auseinander? Auch da hilft wieder Zugzwang mit 1. Kc3. und Schwarz muss seinen Turm vom König wegziehen, weil 1. ... Kc1 mit 2. Da3 ... zum Matt führen würde.

 

Zugzwang.

Hier haben wir eigentlich eine typische Pattstellung. Schwarz ist aber nicht am Zug, sondern Weiß und da gewinnt 1. Kc6 oder 1. Ke6. Natürlich würde Schwarz am Liebsten stehenbleiben und nichts tun, er muss aber ziehen und gibt damit dem weißen König die Möglichkeit vorzurücken und das Umwandlungsfeld des Bauern zu schützen.

 

Zugzwang.

Es gibt auch Stellungen, in denen beide Seiten unter Zugzwang stehen. In obigen Beispiel würde die Seite verlieren, die ziehen müsste. Ganz einfach, weil der jeweilige König seinen Bauern im Stich lassen und wegziehen müsste. Zu einfach? Machen wir es etwas komplizierter:

Zugzwang.

Wie gewinnt Weiß am Zug? Richtig! 1. g4

 

Fazit: Es gibt viele Elemente, die Schach so besonders und speziell machen. Zum Beispiel die Gangart des Springers oder das Patt. Aber mit an erster Stelle gehört auch Zugzwang genannt, eine deutsche Bezeichnung, die so treffen für dieses taktische Mittel war, dass man es sogar ins Englische (oder zumindest ins Amerikanische) übernommen hat, selbst wenn die Aussprache dort etwas drollig klingt. Man vermutet, dass es sich mit Erscheinen der englischen Ausgabe des Klassikers "Mein System" von Aaron Nimzowitsch in den 1930er international einbürgerte. "Zugzwang", ein deutscher Exportschlager!