Gambit

Tempo, Tempo, Tempo!

Ein Hauptziel in der Eröffnung ist es seine Figuren so schnell wie möglich zu entwickeln, ihnen mehr Wirkung zu geben, mehr Felder mit ihnen zu überdecken/zu bedrohen. Schafft man es eine Figur zu entwickeln, ohne dass der Gegner eine eigene entwickeln kann, dann hat man ein Tempo gewonnen. Das ist ein Vorteil. Man hat seine Stellung im Vergleich zum Gegenüber verbessert. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Skandinavische Eröffnung, bei der Schwarz seine Dame gleich ins Spiel bringt. Nach den Zügen 1. e4 d5 2. exd5 Dxd5 3. Sc3 ergibt sich folgende Stellung:

Zentrum.

Weiß hat seinen Springer entwickelt und Schwarz muss seine Dame erneut ziehen. Ein Tempogewinn für Weiß. Erneutes Ziehen einer Figur in der Eröffnung sollte man also möglichst vermeiden, aber sich die Dame einfach schlagen zu lassen wäre ja auch unsinnig gewesen. Wie kann man noch Tempo verlieren? Anfängern rate ich oft, das Spiel gegen stärkere Gegner zu vereinfachen, indem man gleichwertig Figuren abtauscht. Springer gegen Läufer, Läufer gegen Läufer, wie auch immer. Wenn der Gegner aber mit dem Zurückschlagen seine Figuren entwickeln kann, dann hat man auch einen Tempoverlust hingenommen. Das geschieht oft, wenn man zuerst schlägt. Zumeist ist es besser seine Figur zu decken und dann selber zurückzuschlagen. Folgende Stellung ergibt sich nach 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lc4 Sf6 4. Sc3 Sxe4 5. Sxe4 d5

Zentrum.

Schwarz hat seinen Springer scheinbar geopfert um sich das Material durch die Bauerngabel zurückzuholen. Was macht jetzt Weiß? Man könnte den Bauern schlagen und das Material wäre nach 6. Lxd5 Dxd5 wieder ausgeglichen. Der entwickelte Läufer wäre aber weg und Schwarz hätte Springer und Dame im Spiel, man selber aber nur noch den Springer. Und das, obwohl man mit Weiß ja eigentlich angefangen hat. Schlecht! Hier wäre Schlagen also ein Tempoverlust. Besser wäre 6. Ld3 dxe4 7. Lxe4, Material wäre wieder ausgeglichen, man hätte aber immer noch eine Figur mehr im Spiel.

Das obige scheinbare Springeropfer ist ein erster Schritt hin zu den Gambits. Ein Gambit (italienisch für: „ein Bein stellen“) ist eine Eröffnung, in der ein Spieler eine Figur opfert, zumeist einen Bauern, um einen Stellungsvorteil zu erlangen oder ein Tempo zu gewinnen. Oft sind es scheinbare Opfer, weil die Figur des Gegeners in eine ungünstige Position gelockt wird, in der man sie später zurückschlagen kann.

Jetzt aber mal zu einem Beispiel, damit man es sich besser vorstellen kann. Nach 1. e4 e5 2. d4 exd4 3. c3 dxc3 4. Lc4 cxb2 5. Lxb2 haben wir ein klassisches Gambit und folgende Stellung auf dem Brett:

Zentrum.

Bei diesem sogenannten Nordischen Gambit hat Weiß zwei Bauern geopfert, sich aber einen massiven Entwicklungsvorsprung gesichert. Weiß beherrscht das Zentrum, die Läufer schauen bedrohlich diagonal auf den schwarzen Königsflügel. Die Zeichen stehen auf Sturm, Weiß ist im Angriffsmodus! Und was hat Schwarz? Zwei Bauern gewonnen. Na, immerhin. Aber ansonsten noch keine Figur im Spiel. Was soll man Schwarz raten? Schwarz sollte vorsichtig spielen, gut verteidigen und darauf hoffen, dass sich der Materialvorteil später noch auszahlen wird.

Was kann man generell raten, wenn der Gegner eine Gambit-Eröffnung spielt? Wenn man sich unsicher ist und die Eröffnung nicht genau kennt, sollte man die angebotene Figur lieber nicht schlagen, sondern normal seine Figuren entwickeln. Das ist sicherer. Wenn jemand ein Gambit spielt, dann wird er sich ja auch bestimmt sehr gut damit auskennen. Dann doch lieber vorsichtiger sein und rechtzeitig die Entwicklung seiner Figuren fortsetzen. Im gezeigten Beispiel könnte man den Bauern z.B. einfach mit 2. ... d6 decken, man spricht dann von einem abgelehnten Gambit.

Fazit: Ein Gambit abzulehnen heißt nicht, dass man ein Angsthase ist oder nur defensiv spielt, ganz im Gegenteil! Ein Gambit abzulehnen bedeutet, dass man selber seine Figuren rasch entwickeln und angreifen will. Ein Gambit anzunehmen heißt hingegen immer, dass man erst einmal in die Defensive gedrängt wird.