Königsindisch

Die zwei Seiten desselben Inders.

Viele Eröffnungen sind richtig mühsam und schwer, wenn man sie spielen will. Man muss sich nicht nur komplizierte Varianten merken, sondern oft auch noch die genauen Zugfolgen um nicht irgendwo heillos ins Hintertreffen zu geraten. Das ist nicht jedermans Sache. Gibt es eine Alternative? Ja! Es gibt auch sogenannte Eröffnungssysteme, in denen man fast unabhängig von den Zügen des Gegners keine gelernten Zugfolgen abspult, sondern stattdessen nur einen bestimmten Figurenaufbau zu erreichen versucht. Man muss sich also im Prinzip nur eine einzige Stellung merken, cool oder?

Für Weiß wäre der sogenannte Königsindische Angriff, im englischsprachigen Raum zu "KIA" abgekürzt, genau solch ein System für "eröffnungsfaule" Schachspieler. Das heben wir uns aber zum Schluss auf, lasst uns mit dem komplizierteren Spiegelbild für Schwarz anfangen, der Königsindischen Verteidigung (im Englischen "King's Indian Defence", abgekürzt "KID"). Diese Verteidigung wurde schon Ende des 19.ten Jahrhunderts gespielt aber erst Anfang des 20.ten Jahrhunderts richtig populär, als man sie in den Komplex der Indischen Verteidigungen einordnete, bei denen Schwarz das Zentrum nicht mit Bauern besetzt, sondern versucht mit Figuren zu beherrschen, hauptsächlich durch fianchettierte Läufer.

Fianchettiert Schwarz auf der Damenseite, dann nennt man es Damenindisch, und bei Fianchetto auf der Königsseite entsprechend Königsindisch. Die Züge 1. d4 Sf6 2. c4 g6 3. Sc3 Lg7, Umstellungen sind möglich, führen zur charakteristischen Ausgangsstellung:

KID.

Die Fortsetzung in der klassischen Variante lautet 4. e4 d6 5. Sf3 0-0 und führt zu folgender Stellung:

KID.

Weiß hat viel Raum gewonnen und kontrolliert das Zentrum mit seinen Bauern. Wenn man so viele Bauern zieht, kann man aber auch in Entwicklungsrückstand geraten, weil die Figuren ja noch auf der Grundreihe herumstehen. Schwarz steht hingegen etwas gedrängt, hat aber schon Läufer und Springer auf der Königsseite gut platziert und rochiert. Definitiv ein kleiner Entwicklungsvorsprung, Weiß hängt etwas zurück. Ist Schwarz also schon in Vorteil und steht besser? Nein, auf keinen Fall.

Weiß hat viel Raum, kann seine Figuren frei bewegen und beliebig umgruppieren. Zudem ist schon klar, wohin Schwarz rochiert hat, Weiß hat also auch ein klares Angriffsziel vor Augen. Schwarz hingegen hat es viel schwerer einen vernünftigen Plan zu finden. Irgendwann muss er mit e7-e5 oder c7-c5 einen Vorstoß im Zentrum wagen. Der Vorstoß c7-c5 kann leicht zu benoniartigen Stellungen führen. Wohingegen 6. Le2 e5 die ursprüngliche, typische Spielart wäre, mit der sich Schwarz aber selber den fianchettierten Läufer einmauert:

KID.

Nach 4. e4 d6 sind noch eine Reihe anderer Züge denkbar für Weiß, wie z.B. 5. Sge2, 5. f3 oder auch 5. h3. Wir wollen uns hier aber nur noch den Vierbauernangriff anschauen, der nach den Zügen 1. d4 Sf6 2. c4 g6 3. Sc3 Lg7 4. e4 d6 5. f4 entsteht:

KID.

Dieser Aufmarsch ist beängstigend und schreckt viele Spieler ab die Königsindische Verteidigung zu wählen. Die typische Idee e7-e5 ist jetzt kaum noch möglich für Schwarz. Aber wenn man sich die Fortsetzung mit 5. ... 0-0 6. Sf3 und dann den Vorstoß 6. ... c5 anschaut, sieht das doch eigentlich alles recht solide und stabil aus:

KID.

Jetzt noch schnell das Versprechen vom Anfang eingelöst. Die Eröffnung für Theorie-Faule, den Königsindischen Angriff. Bei diesem Eröffnungssystem muss man sich nicht dutzende Varianten einprägen, es reicht, wenn man sich folgende Stellung merkt:

KIA.

Diese Aufstellung gilt es zu erreichen und dabei ist es fast egal, was Schwarz währenddessen spielt. Die weiße Stellung ist sehr stabil, ein Grundplan ist der Bauernvormarsch im Zentrum, z.B. e4-e5, unterstützt von Springern und Dame; eventuell gefolgt von einem Figurenangriff am Königsflügel. Der Zug e7-e5 in der Königsindischen Verteidigung hat eher einen defensiven Charakter, spielt man es als Weißer, dann ist man einen Zug schneller, ein Tempo früher, da bekommt e2-e4 plötzlich einen offensiven Charakter, deshalb nennt man es auch Königsindischer Angriff.

Was sind gute Zugfolgen für Weiß um obige Stellung zu erreichen? Ein Weg ist mit dem Fianchetto zu starten und das Zentrum noch offen zu lassen. Also 1. Sf3, dann g3, Lg2, 0-0 und danach d3 und Sbd2 um e4 vorzubereiten. Das Tempo, das man schneller ist, hat jetzt aber auch einen Nachteil. Schwarz weiß sofort, dass man fianchettieren will und die kurze Rochade anstrebt und kann sich sehr schön darauf ausrichten. Eine Zugfolge wie 1. Sf3 d5 2. g3 c6 3. Lg2 Lg4 4. 0-0 Sd7 5. d3 Sgf6 6. Sbd2 e5 7. e4 wäre typisch und zeigt das Problem für Weiß:

KIA.

Schwarz hat den fianchettierten Läufer stark auf seiner Diagonalen eingeschränkt und kann seine Figuren frei entwickeln. Weiß hingegen steht etwas eingeengt, aber völlig ok. Da droht aktuell nichts, außer dass vielleicht einige Figuren abgetauscht und das Spiel verflachen könnte. Die zweite beliebte Zugfolge ist mit 1. e4 zu beginnen und dann nur auf bestimmte Eröffnungen, wie z.B. Französisch, Sizilianisch oder Caro-Kann zum Königsindischen Angriff umzuschwenken mit d3, Sd2, Sgf3, g3, Lg2 und 0-0. So weiß Schwarz nicht sofort was Sache ist und was Weiß genau plant.


Fazit: Die anerkannt beste Wahl gegen 1. d4 ist Nimzoindisch. Das weiß der Weißspieler aber auch und wird gut vorbereitet sein. Damenindisch ist genauso solide aber vielleicht manchmal etwas passiv. Dann könnte die Königsindische Verteidigung vielleicht genau die richtige Wahl für euch sein, wenn ihr es etwas offensiver, verwickelter und aggressiver mögt und nicht nur in der Eröffnung zuschauen möchtet. Und der Königsindische Angriff mit Weiß ist einer der Geheimtipps für alle, die einfach nur sicher durch die Eröffnung kommen wollen um eine spielbare Stellung zu erlangen, ohne dass man seitenweise Varianten auswendig lernen muss.