Alles, was der faule Schachspieler braucht.
London, Londoner Eröffnung oder Londoner System ist eine Damenbauern-Eröffnung für Weiß, die schon in den frühesten Schachbüchern vor über 500 Jahren erwähnt wurde. Charakterisiert ist sie durch den Zug Lf4, der häufig schon im zweiten Zug gespielt wird, fast egal was Schwarz erwidert. Also z.B. 1. d4 Sf6 2. Lf4 und folgende Stellung:
Der Sinn ist eine solide Bauernstruktur im Zentrum zu errichten und der Läufer soll außerhalb der Bauernkette stehen. Nicht innen, wo er eingeschlossen wäre und nicht wirken kann. Der geübte Schwarzspieler erkennt aber auch schon einen Nachteil. Der Bauer auf b2 ist jetzt ungeschützt und könnte später ein Angriffsziel für Schwarz werden.
Wie geht es weiter? Fast völlig unabhängig von den schwarzen Zügen versucht Weiß folgende Ausgangsstellung zu erreichen, sozusagen die Traumstellung des London Spielers:
Zuerst gespielt auf Weltniveau wurde dieser Aufbau bei einem Turnier in London 1883, woher sie auch ihren Namen erhielt. In den darauf folgenden Jahren wurde sie immer populärer, weil sie sich als sehr stabil gegen Indische Aufbauten mit fianchettierten Läufern erwies, Eröffnungen, die in dieser Zeit immer populärer wurden.
Aus dieses Zeit stammt auch ihr Ruf, dass es eine langweilige Eröffnung sei, sehr remislastig. Auch blicken Topspieler etwas auf die Eröffnung herab, weil man bei ihr nicht dutzende komplizierte Varianten lernen muss, sondern sich bloß obige Stellung merken zu braucht. Das macht das Londoner System aber gerade so interessant und attraktiv für die normalen Vereinsspieler, die nicht so viel Zeit in Eröffnungsstudien investieren wollen oder können.
Nur dadurch, dass man sich obige Stellung merkt, erhält man eine solide, ausgeglichene Stellung; klar, Topspieler haben andere Ziele. Sie wollen ihren Eröffnungsvorteil so lange wie möglich erhalten. Das ist mit London nicht so leicht. Aber die Angriffsmöglichkeiten, die die Eröffnung bietet, sind auch nicht zu verachten. Es kommt immer auf den Typ Spieler an und was er daraus machen will.
Ich werde euch also nicht mit Varianten behelligen aber ein paar Grundmotive gibt es schon, die man sich merken sollte, je nachdem welchen Aufbau Schwarz als Antwort wählt. Fangen wir damit an, dass Schwarz mit 1. d4 d5 2. Lf4 Lf5 3. e3 e6 4. Sf3 Sf6 einfach mal alles nachspielt:
Da ist es für Weiß jetzt nicht so leicht den Läufer auf d3 zu stellen, weil man den ungern abtauschen möchte. Die Bauernpyramide b2 - c3 - d4 - e3 - f2 besteht ja komplett aus Bauern, die auf schwarzen Feldern stehen, da ist der weißfeldrige Läufer sehr wertvoll, also lieber behalten. Weiß wird also zunächst mit Sbd2 und c3 fortsetzen, doch Schwarz spielt auch noch mit. Nach 5. Sbd2 Ld6 sucht Schwarz Streit:
Wie reagiert der London Spieler auf solch eine Situation? Soll er tauschen? Oder den Springer dazwischen stellen? Oder gar den Gegner auf f4 einfach schlagen lassen? Alles drei sind Züge, die funktionieren, der London Spieler heutzutage ist aber im Geheimen gar kein Langweiler mehr, sondern ein Angriffsspieler und spielt mit 6. Lg3 einen überraschend unscheinbaren Zug:
Tauscht jetzt Schwarz mit 6. ... Lxg3 7. hxg3, dann hat Weiß eine offene Linie für seinen Turm:
Weiß hat den sogenannten London-Läufer getauscht und dadurch einen London-Turm zum Angreifen am Königsflügel erhalten. Und genau das ist der Hauptplan: Ein Bauernsturm am Königsflügel oder ein Verdoppeln auf der h-Linie nach langer Rochade.
Wählt der Gegner einen Königsindischen Aufbau, dann ist e2 oft das bessere Feld für den Läufer. Als Beispiel können wir uns einmal den Spielverlauf 1. d4 Sf6 2. Lf4 g6 3. e3 Lg7 4. c3 O-O 5. Sd2 d6 6. Sgf3 Sbd7 7. Le2 mit folgender Stellung ansehen:
Von d3 aus hätte der Läufer nur auf die gegnerischen Bauern gestarrt. Außerdem kann man mit den Läufer und Springer auf d3 und f3 sehr leicht in eine Bauerngabel laufen. Da muss man immer sehr gut aufpassen. Die Idee mit Le2 ist, dass der h-Bauer losrennen und die gegnerische Stellung aufreißen soll. Vielleicht opfert Weiß sogar einen Turm, spielt lange Rochade und führt den anderen Turm nach. Klingt alles nicht so langweilig, oder?
Einen weiteren Aufbau wollen wir uns noch kurz anschauen, wenn Schwarz schnell c5 spielt und den Bauern auf b2 angreift. Nach 1. d4 d5 2. Lf4 Sf6 3. e3 c5 4. c3 Sc6 5. Sd2 Db6 haben wir folgende Stellung:
Hier sollte man immer mit Db3 reagieren. Tauscht dann Schwarz, schlägt man mit dem a-Bauern zurück und hat eine offenen Linie für den Turm. Also konkret nach 6. Db3 7. Dxb3 axb3 folgende Stellung:
Fazit: Gata Kamsky, Simon "Ginger GM" Williams, Elisabeth Pähtz oder Magnus Carlsen haben für einen ungeahnten Boom gesorgt vom Londoner System, der bis heute ungebrochen ist. Besonders Amateur- oder Jugendspieler lieben dieses leicht zu erlernende Eröffnungssystem. Langweilige Spiele sind die Seltenheit. Und wenn der Gegner genervt ist von einer Eröffnung, dann hat man eigentlich schon alles richtig gemacht, oder?