Orang-Utan

Uh! Uh! Uh!

Der polnisch-französiche Schachmeister Tartakower eröffnete Anfang des 20.ten Jahrhunderts auf einem Turnier in New York mehrmals als Weißer mit dem Bauernzug b2-b4. Die Inspiration hierzu kam ihm wohl bei einem Besuch im Zoo und der Bauer soll im Verlauf des Spiels die b-Linie genauso hochklettern wie ein Orang-Utan einen Baum. So benannte er diese Eröffnung auch entsprechend Orang-Utan-Eröffnung und diese spaßige Benennung ist bis heute erhalten geblieben, zeigt aber natürlich auch, dass man diesen Zug anscheinend nicht ganz so ernst nimmt auf höchstem Niveau. Der russiche Schachmeister Sokolski analysierte später die Eröffnung tiefgehender und wandte sie recht erfolgreich in der Turnierpraxis an, weshalb sie auch gerne Sokolski-Eröffnung genannt wird.

Was ist die Idee? Schauen wir uns einmal den möglichen Verlauf 1. b4 e5 2. Lb2 Lxb4 3. Lxe5 und die daraus resultierende Stellung an, dann wird es klarer:

Orang Utan.

Weiß verzichtet darauf, das Zentrum sofort mit Bauern zu besetzen und attackiert es mit dem fianchettierten Läufer. Schwarz ist vielleicht etwas irritiert und geht auf den Tausch ein. Nun ja, ähm ... das ist doch jetzt aber gar nicht so schlecht für Weiß, oder? Ja, tatsächlich, Weiß hat es geschafft einen Randbauern gegen einen Zentrumsbauern einzutauschen, das ist ein echter Vorteil. Und das mit solch einer spaßigen Eröffnung. Kaum zu glauben! Jetzt wird sich Schwarz aber nicht immer durch den unorthodoxen Zug 1. b4 so hereinlegen lassen.

In dieser Variante schützt er z.B. seinen Zentrumsbauern 1. b4 e5 2. Lb2 f6 3. e4 Lxb4 4. Lc4 und Weiß opfert seinen Bauern auf b4, was zu folgender Stellung führt:

Orang Utan.

Oder man verzichtet als Schwarz erst einmal auf das Zentrum und greift den b-Bauern und den weißen Damenflügel direkt an. Nach 1. b4 c6 2. Lb2 a5 3. a3 axb4 4. axb4 Txa1 5. Lxa1 Db6 erhalten wir diese Stellung:

Orang Utan.

Es gibt eine Reihe weiterer guter Antworten auf 1. b4 für Schwarz wie 1. ... a5, 1. ... c5 oder 1. ... d5. Aber auch Weiß könnte variieren und z.B. mit 1. Sf3 beginnen um nach 1. ... d5 erst im zweiten Zug 2. b4 zu spielen. Der Affe ist viel vielseitiger als man denkt!


Fazit: Eigentlich müsste man die Orang-Utan-Eröffnung zu den Exoten zählen, ist sie aber nicht. Diese Eröffnung wird tatsächlich viel häufiger gespielt, als man vermutet und das nicht nur auf Amateurlevel. Schaut sie euch also unbedingt einmal genauer an, nicht unbedingt um sie selber zu spielen, aber zumindest um als Schwarzspieler auf sie vorbereitet zu sein.